Regierungsviertelungen ist soeben im Verlag Sonderzahl erschienen. Herausgeberinnen sind Elena Messner & Eva Schörkhuber. BUCHPRÄSENTATION ist am 5. April 2016 um 19 Uhr in der Alten Schmiede, Wien.
Mit Textbeiträgen von Thomas Ballhausen, Mascha Dabic, Natalie Deewan, Magdalena Diercks, G.H.H., Elena Messner, Zlatko Pakovc, Ivana Perica, Jorghi Poll, Dalibor Plecic, Robert Prosser, Alex. Riener, Eva Schörkhuber, Beatrice Simonsen und Dominik Srienc
Fotocollagen von Dana Rausch und Karten von Philipp Markus Schörkhuber
ca. 140 S.
Format: 13,5 x 21 cm
€ 15,–
ISBN 978 3 85449 450 8
Sonderzahl: “Beherrschen Sie sich – Regierungsviertelungen”
Ein kühler Wind weht vom Heldenplatz zu uns herüber …
Wie weit es wohl reicht, das Regierungsviertel in Wien? – Hofburg, Ballhausplatz, ja, und dann? Und: Wie weit reichen die Regierungen hinein in unsere alltäglichen Geschäfte und Gepflogenheiten, in unser Leben, in unsere Körper? – Nicht auf einem eindeutig abgesteckten Territorium bewegen wir uns mit diesen Fragen, sondern auf einem vagen, vielschichtigen Terrain, mit dem sich zeitgenössische Autorinnen und Autoren aus Deutschland, Polen, Serbien, Österreich und Kroatien auseinandergesetzt haben. Literarisch befragt wurden die Plätze, Schichten und Geschichten, die Gebäude und die in diesen gepflogenen und tradierten Umgangs- und Regierungsformen.
Unwiederbringlich (G. H. H.) sind jene Momente, die sich freimachen, die auftauchen, wie im Freien Fall (Dalibor Plecic), die so manches aufwirbeln im Wohnzimmer der Republik (Beatrice Simonsen), die den Lonely Planet (Mascha Dabic) umkreisen wie widerspenstige Trabanten. Eine Aufsichtsprüfung (Elena Messner) gefällig, vielleicht, zum Blankpolieren der Nerven und Bilanzen? Oder, besser noch, mit Otto, Robert, Jon (Natalie Deewan) zu konversieren, Beziehungen zum Hegemon sind nicht von Nachteil, Sie wissen schon! Die Zeichen zu deuten, auffliegen oder verschwimmen zu lassen hilft die Kleine Zeichenkunde (Thomas Ballhausen) und ob Eins Zwei Drei Vier (Alex. Riener) Aufmarsch oder Abmarsch bedeutet – nun, das müssen Sie schon selbst herausfinden. Klappe, die nächste (Jorghi Poll) und schon geht’s weiter – auf zur Podiumsdiskussion (Ivana Perica), bei der Sätze zu Legehennen und Gedanken zu Suppenhühnern werden, ein eifriges Gegacker, jedenfalls. Die Kunst, nicht dermaßen regiert zu werden (Eva Schörkhuber), allerdings, die legt sich kein Ei und pfeift auf die Bodenhaltung. Ein Kopf ist er sich selbst (Domenik Srienc), mein lieber Schwan, ein krauser Kopf. Auch Das Geschenk vom Kaiser (Magdalena Diercks) ist eine Frage der Zeit, die ihre Zähne in die Pflastersteine schlägt.
Leseproben:
Tagsüber wandern wenige Touristen übern Heldenplatz, verlangsamen den Schritt, gehen an den Fiakern vorbei, um, so scheint es, ein wenig vom Wiener Idiom zu erhaschen, welches Reiseführer oder Tourguide versprechen und die schnauzbärtigen, mit Melonen behüteten Kutscher tatsächlich in erstaunlicher Prägung beherrschen. (Robert Prosser: Weißwasche)
Die üppigen Rosenbeete im Volksgarten, die glatten Steinfliesen der inneren Burg, die dunstigen Innenräume der Nationalbibliothek, der gekehrte Vorplatz der Stallburg, auf dem sich die gestriegelten Lipizzaner recken, sind mein Zuhause. Die Fiakerfahrer mit ihren dicken Rossschwänzen, den mageren Pferden und den aufgeputzten Kutschen am Heldenplatz, die asiatischen Cellisten unter der Michaelerkuppel, die blinden Sänger am Graben, die durch die Innenstadt lärmenden Schulklassen, die vorm Haas Haus jausnenden Kindergartenkinder, die als Edelmänner verkleideten Slowaken am Stephansplatz, die geschminkten Damen mit den Einkaufssackerln teurer Boutiquen, in denen sie ihr Mittagessen ins Büro tragen, die jungen Männer in schwarzen Anzügen mit zu langen Ärmeln, zu kurzen Hosen und ungeputzten Schuhen, die knienden Bettler an den Straßenecken sind meine Familie.
(Beatrice Simonsen: Im Wohnzimmer der Republik)
Fotos: Natalie Deewan und Eva Schörkhuber