SEEFRAUENGARN

 

Wir zwei –

Im Zwiegespräch mit dir
Hundert Jahre trennen uns
Die Leidenschaft führt uns zusammen
Kaum ist die Zeit vergangen
Seit dir und seit mir
Zeitlos wir zwei
Im Zwiegespräch

 

Im Museum am 9. August 2019. Text Beatrice Simonsen (BS) & Foto © Dirk Simonsen

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Einer Einladung von Brigitta Höpler und Karin Seidner-Macke zum Kunstprojekt SEEGARN in SEEBARN im Sommer 2020 folgend entstand meine Idee SEEFRAUENGARN zu spinnen. Das Projekt konnte aufgrund der Covid 19 Pandemie vor Ort nicht stattfinden. Virtuell können Sie dem Wachsen des Netzes folgen: Feine Fäden hin und her.

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Flussfrau

Mit allen Wassern gewaschen
steht sie hüfttief im Schreibfluss
verbindet sich mit den Wesen, den Dingen, den Erscheinungen
hat kein Dach über dem Kopf und den Gedanken
verankert sich mit Zeilen
wohnt in Worten.

 

Flussfrau in Třeboň, Tschechien, am 7. August 2020. Text & Foto © Brigitta Höpler (BH)

 

 

 

 

 

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Sie versprachen ihr das Blaue vom Himmel
Sie erfand sich das Meeresblau
verschuf sich immerwährenden Meeresblick
lauschte dem unentwegten Rauschen
Und legte ab
Liess sich von den Wellen tragen
Weiss auf Blau
wollte Oberwasser behalten, nicht untergehen
kam in Fluss
es floss aus ihr
sie versank in den Wogen
“An der Oberfläche bleiben oder in die Tiefe tauchen?”
Kühn nahm sie eine Brandungswelle
fand Gefährtinnen
Und lernte ein Einsehen mit der Vergänglichkeit
Mit den menschlichen Schwächen
Den Tränen der Verzweiflung
Und der Angst der Finsternis

Text Karin Seidner & Bild Ohne Titel (Bleistift, Tusche, Aquarell) 2. Juni 1977 aus © Anna Maria Kupper: Journal 9, Sebstportraits 1964–2016, Luzern, Quart Verlag 2019

 

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La Belvedere

Komm, ich führe dich. Wir beide zusammen, wir gehen den Weg. Weitsichtig. Von hier die schöne Aussicht. Der Blick ins Weite. In der Hand trage ich die Muschel, sie ist aus dem Fluss des Lebens. Keine Angst. Wir schwimmen, den Kopf über Wasser. Reich mir die Hand, mein Leben.

 

Barocke Figur im Park des Schloss Belvedere, Wien am 26. Februar 2017. Text & Foto © BS

 

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Ich bin stolz darauf, dass ich in meinen Träumen nicht nur schweben, sondern richtig fliegen kann. Wann immer ich will.

 

 

 

 

 

Text Karin Seidner & Foto 5. März 2010 13.48 Uhr, Luzern aus © Anna Maria Kupper: Journal 9, Sebstportraits 1964–2016, Luzern, Quart Verlag 2019

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Karyatide

Du wurdest von Männern erschaffen, das Haus zu halten. Wurdest an das Mauerwerk gebunden. Solltest schweres Gebälk, Balkone und Portale tragen. Jedoch mit Leichtigkeit und Eleganz. Solltest als Stütze des Hauses Erotik ausstrahlen und nicht Last. Solltest ein freudvoller Anblick sein. Jahrhundertelang. So würde es auch weiter gehen, wärst du nicht gegangen. Ohne zurückzublicken, ohne die Sorge, ob das Haus hält.

Text & Foto © Brigitta Höpler 

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Die Welt

Dort, wo die Sonne meine Hand überstrahlt, dort geht es in die Welt hinaus. Alles mit Maß und Ziel, gestützt auf das Erdenrund, das Werkzeug in der Hand. Die nackte Brust zum Wohlgefallen ebenso wie der geschürzte Rock. Er tut dem forschen Schritt keinen Abbruch. Ich bin unterwegs. Grüß Gott! Herrschaftliche Pose. Die Welt ist weiblich.

Barocke Figur im Belvedere Park, Wien. Text & Foto BS
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Ex-Seejungfrau

Seejungfrau – das war einmal.
Mit Flossenflügelfüssen bewege ich mich wandelbar durch die Welten.
Folge keinen Versprechen noch irgendwelchen Prinzen.
Frosch bleibt Frosch.
und ich bin ich.

 

 

Text & Bild © Brigitta Höpler

 

 

 

 

 

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Bruna und Graziella

„Es war eigentlich alles wie immer. Ich stand mit Susanna im Wasser, genau so wie wir jetzt. Wir standen da so und plauderten, na du kennst das ja, so wie immer, ein Spätsommertag wie jeder andere. Und dann hatte ich plötzlich so ein Bedürfnis zu schwimmen, hinaus ins Meer, weg von den Menschen, den Booten, hinaus in die Weite. Und ich sage noch, Ciao, Susanna, ci vediamo … und ich werfe mich ins Wasser und sie schaut mir verdutzt hinterher, weil sonst schwimmen wir doch nie … und ich schwimme und schwimme immer weiter hinaus, es war einfach herrlich, nur der Horizont vor Augen, drüben die Bucht von Triest, über mir der blaue Himmel … und da plötzlich! … du kannst dir kaum vorstellen, wie ich erschrocken bin … teilen sich die Fluten, ein Kopf taucht vor mir auf, schwarzes lockiges Haar, meergrüne Augen, ein lachender Mund, der Bart voller Wassertropfen …“
„Nein!“
„Ja! Ja! Sage ich dir. Wirklich und wahrhaftig!“
„Nein!“
„Ja, ja doch. Er muss es gewesen sein! Bestimmt! Cento per cento!”
„Das ist ja unglaublich! Wie kann denn das sein?“
„Das kann ich dir nicht sagen! Aber es war so. Tatsächlich. Ich hätte mir das nie träumen lassen!“
“Warst du nicht völlig kopflos?”
“Ma certo, zuerst ja … aber dann, aber dann …”
„Was dann? … ich meine, was hast du getan?“
„Was meinst du …? Ich … natürlich … .“

Grado im September 2020, Text Beatrice Simonsen & Foto © Dirk Simonsen

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Beitragsbild © Dirk Simonsen: Wasser