9. Juni 2024 VOLLE BLÜTE im Botanischen Garten Wien

„ein wenig durchs Geäst, ein wenig durch den Hain“ 

Sonntag, 9. Juni 2024  ~ VOLLE BLÜTE mit Lesungen und Performance von
JASMIN GERSTMAYR, SANDRA HUBINGER, GÜNTHER KAIP und IVANA MILOŠ
Botanische Begleitung: David Bröderbauer, Moderation: Beatrice Simonsen

“Ein wenig durchs Geäst, ein wenig durch den Hain” lautet das Motto dieses Spaziergangs – es ist eine poetische Zeile von Ivana Miloš. Wir suchen den Schatten und den Schutz alter Bäume: einer Pappel, Eiche, Linde, Ginkgo, Eibe, Tanne und Platane. Der Blick in ihre Kronen öffnet Horizonte, ein Waldbad tut der Seele gut.

Die Bewegung, die im Baumbild der eindrucksvollen Pappel im Botanischen Garten liegt, erinnert an die Bewegtheit der Figurenzeichnungen von Günther Kaip. Abstrakt und körperlich zugleich beeindrucken sie mit ihrem Schwung – ein Schwung, der auch die poetischen Aufzeichnungen sowie die Prosaminiaturen prägt. Er selbst sagt: „Wörter haben einen Körper, einen Resonanzboden, der in permanenter Schwingung ist und in dieser Bewegung Räume erschafft“. In diesen Texten gehen Innen- und Außenbetrachtung ineinander über und so gießt der Autor seine Gedanken in fließende, sich ständig verwandelnde Bilder fern jeder Konvention. Es ist ein Tanz mit der Sprache und eine Aufforderung, sich ins Spiel zu bringen. Mit dem Blick hinauf in die tanzende Pappel, lauschen wir den Texten von Günther Kaip.

In Bewegung ist auch Sandra Hubinger in ihren Gedichten. Unterwegs auf Streifzügen durch die Natur wirft sie ungewöhnliche Blicke auf ihre Umgebung und erschafft neue Zusammenhänge. „Das klassische Natur- und Landschaftsgedicht erhält eine neue Interpretation (…) naturbedingt Vorgefundenes trifft auf kulturell Überformtes“ wie der Herausgeber ihrer Gedichte in der Lyrikreihe bei Keiper Helwig Brunner bemerkt. Ungewöhnlich und erfrischend sind ihre Kurzprosatexte in „Von Krähen und Nüssen“ mit besonderer Nähe der Ich-Erzählerin zum Objekt ebenso wie zur Tier- und Pflanzenwelt. Manche dieser Geschichten werden als wahr oder als Traum deklariert, kaum eine bricht nicht mit konventionellen Erwartungen. Es lohnt sich, einmal die Welt mit Sandra Hubingers Blick zu betrachten. Er zeugt von Originalität, Widerständigkeit und subtilem Humor.

Waldbaden ist ein Begriff, der aus Japan kommt und in den 1980ern erfunden wurde und die meditative und gesundheitliche Wirkung eines Aufenthalts im Wald beschreibt. Wissenschaftlich nicht ausreichend bewiesen wird es gern dem Gebiet der Esoterik zugeordnet – und trotzdem: wer kennt es nicht, dieses Gefühl des Aufatmens im Grünen? Jasmin Gerstmayr lässt ihr Publikum daran teilhaben. Mit ihren kurzen lyrischen Texten trifft sie immer ins Schwarze – beziehungsweise ins Grüne. Was bei ihr so leicht und ganz einfach frei von der Leber weg gesprochen klingt, hat fast immer auch eine gesellschaftskritische, auf jeden Fall eine zum Nachdenken anregende Botschaft.

Ivana Miloš nimmt uns in eine mediterrane Landschaft mit – ans Meer – dorthin woher sie kommt. In dieser Landschaft ist sie eins mit der Natur, die Sehnsucht nach ihr ankert im tiefen Vertrauen auf die Beständigkeit ihres Daseins. Es sind die Berührungszonen zwischen Literatur und Natur sowie den komplexen, organischen Zusammenhängen von Sprache und Bild und ihren Zwischenräumen, die Ivana Miloš – wie sie selbst sagt – in ihrer Lyrik bearbeitet. Die Freude, die ihr die Welt der Pflanzen schenkt, ist in ihrem Schreiben so verinnerlicht und integriert, dass sie ihre Gedichte zum Leuchten bringt.  

Literarische Spaziergänge im Botanischen Garten verbinden Kunst und Natur, Wissen und Fantasie. Autor_innen lesen aus ihren Werken, Botaniker_innen stellen den Bezug zur Pflanzenwelt im Garten her. Musik und Kunst bilden weitere Anknüpfungspunkte. Darüber hinaus laden Workshops zur literarischen Produktion ein. Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme! Unter diesem Link zum Botanischen Garten können Sie einen Trailer und Dokumentationen der Spaziergänge 2022 ansehen.

Beginn der Spaziergänge jeweils um 15.30 Uhr (Dauer ca 2 Stunden). Treffpunkt beim Gartenportier am Haupteingang des Botanischen Gartens, Mechelgasse 2, 1030 Wien. 

Anmeldung, Kosten und Informationen:

Wegen begrenzter Teilnehmer_innenzahl ist die Anmeldung über die Website des Botanischen Gartens erforderlich: botanischergarten.univie.ac.at
Auskunft Tel. 01 4277 56401 oder per Mail grueneschule@univie.ac.at
Teilnahmegebühr: 10 € Normalpreis (7 € ermäßigter Preis für Mitglieder des Vereins der Freunde des Botanischen Gartens). Kostenlos für Kinder bis 10 Jahre. 

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Nächster literarischer Spaziergang: Sonntag, 6. Oktober 2024  
~ „weiter den Weg über fliegende Gräser“
mit Lesungen und Musik von
JULIA COSTA, SOPHIA LUNRA SCHNACK und CHRISTOPH SZALAY. 

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Schreibworkshops mit BRIGITTA HÖPLER an Freitagen 15.30 – 17.30 Uhr
14. Juni und 11. Oktober 2024 “Blattentfaltungen. Manche Worte fliegen aufs Papier, andere wachsen leise“.
Teilnahmegebühr: € 45. Anmeldung und Information: brigitta.hoepler@gmx.at

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Biographien der Mitwirkenden:

Jasmin Gerstmayr, geboren im Mostviertel, schreibt Dialektlyrik und hin und wieder Kurzprosa. Veröffentlichungen in zahlreichen Literaturzeitschriften (u.a. Morgenschtean, mosaik [online], UND, reibeisen) & Anthologien (z.B. in „Die Corona Anthologie II“, Hrsg.: Thomas Schafferer. pyjamaguerilleros*). Sonderpreis AT beim mundartHunderter 22 des unartproduktion-Verlages. Regelmäßige Bühnen-Performance von Dialektlyrik, u.a. bei Poetry Slam-Meisterschaften. Mitglied der IGfem, GAV und ÖDA. Neuestes Projekt: Gedichte im Miniheftchen (Zine) mit eigenen Illustrationen. Homepage: www.jasmingerstmayr.at

Sandra Hubinger, geb. und aufgewachsen in Oberösterreich, Studium der Germanistik und Geschichte in Salzburg, Studium der Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Zahlreiche Veröffentlichungen von Lyrik und Prosa in Anthologien und Literaturzeitschriften. 2013 dritter Preis beim Feldkircher Lyrikpreis. 2016 Lyrikdebut: Kaum Gewicht und Rückenwind in der Edition Art Science. 2018 H. C. Artmann-Stipendium der Stadt Salzburg und des Literaturhauses Salzburg. 2019 erschien der zweite Gedichtband: wir gehen. edition keiper. Der Kurzprosaband Von Krähen und Nüssen folgte 2022. Teilnahme an internationalen Literaturfestivals (poesiefestival Berlin; Kulturenfestival Literatur&Wein, Krems; Goranovo proljece, Zagreb, Rijeka; Struga Poetry Evenings Festival, Nordmazedonien). Gedichte und Texte wurden ins Englische, Italienische, Kroatische, Mazedonische und Ungarische übersetzt.

Günther Kaip, geboren 1960 in Linz, aufgewachsen in Haid bei Linz, seit 1980 in Wien. Diverse Jobs, zuletzt Lektor im „Observer“. Mitglied der Grazer Autorenversammlung. Veröffentlichungen in Anthologien (u.a. „Phantastisches aus Österreich“, Suhrkamp Verlag, 1995.  The Dedalus Book of Austrian Fantasy: 1890-2000, Dedalus, 2003, Jahrbuch österreichischer Lyrik, 2019, SISYPHUS…), Zeitungen (u.a. Zürcher Zeitung), Literaturzeit-schriften und ORF. Schreibt Roman, Kurzprosa, Lyrik, Kinderbücher. Zuletzt: Kiesel. Gedichte. Klever Verlag 2014. Ankerplätze. Ein Journal mit eigenen Zeichnungen Klever Verlag 2017. Eine Membran sind wir. Gedichte und Zeichnungen, Verlag der Provinz 2018. Rückwärts schweigt die Nacht. Lyrik und Prosa. Mit eigenen Zeichnungen. Klever Verlag 2022. Mehrere Preise und Stipendien. Die Gedichte und Erzählungen wurden ins Englische, Russische, Polnische, Türkische und Spanische übersetzt. Derzeit ist eine Ausstellung seiner Zeichnungen, Skulpturen und Texte im Wiener Literaturhaus zu sehen: “Tanz den Körper”.

Ivana Miloš ist Lyrikerin, grafische Künstlerin, und Übersetzerin. Sie wurde 1988 in Kroatien geboren, lebt seit 2013 in Österreich. In ihrer Praxis widmet sie sich den Berührungszonen zwischen Literatur und Natur sowie den komplexen, organischen Zusammenhängen von Sprache und Bild und ihren Zwischenräumen. Gedichte von ihr erschienen auf Kroatisch, Englisch und Deutsch in mehreren literarischen Zeitschriften und im Rundfunk. In 2025 werden zwei Gedichtbände von ihr in Kroatien (Rosapod, HDP; Nur gute Dämonen, Durieux) veröffentlicht. Das Zitat “ein wenig durchs Geäst, ein wenig durch den Hain” stammt von Ivana Miloš.

Fotos Spaziergang © Dirk Simonsen
Foto Beitragsbild / Layout Plakat und Flyer © Verena Gotthardt.